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Teil 2: Vom schottischen Whisky zum Haggis

Die einwöchige Rundreise war auch eine Reise der Gegensätze: mooriges Wasser für Whisky, Vertreibung armer Schafzüchter durch Reiche, exotische Pflanzen im kargen Hochland, Dresscode für Kilts, eine legale Privatarmee oder witzig-ernste Zeremonie für eine Wurst.

Reisebericht von Ruth Vuilleumier, veröffentlicht auf seniorweb.ch

Whisky gehört zum Nationalgetränk und wird in Schottland seit mehr als fünfhundert Jahren gebrannt. Ein Ausflug nach Glen Ord sollte uns in die Geheimnisse der Whisky-Herstellung einweihen.

Die Glen Ord Distillery besteht seit 1838 und exportiert heute den Singleton of Glen Ord nach Asien. Dieser Malzwhisky darf nur drei Zutaten enthalten: Wasser, gemälzte Gerste und Hefe. Die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen werden durch die Trocknungsart des Malzes beeinflusst. Wird dabei zusätzlich Torf verbrannt, gibt dies dem Whisky eine rauchige Note. Aber auch das Alter bestimmt den Geschmack, der Whisky muss mindestens drei Jahre im Holzfass reifen, es können aber auch fünfzehn sein. Ist er dann einmal in der Flasche, reift er nicht mehr weiter.

Der Ausflug an die Schottische Nordwestküste führte durch verlassene, raue Gebiete: Opfer der Highland Clearances. Vom Ende des 18. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden landlose Kleinbauern und ganze Dorfgemeinschaften im schottischen Hochland gewaltsam vertrieben, damit einige reiche Schafzüchter aus den Lowlands und aus England hier ihre Schafzucht gewinnbringend betreiben konnten. Die Vertriebenen wurden in minderwertiges Land umgesiedelt, als billige Fabrikarbeiter eingestellt oder nach Übersee, vor allem nach Nova Scotia oder Australien verfrachtet. Am Ende dieser Räumungen war das schottische Clanwesen zerstört und die gälische Sprache in Schottland weitgehend ausgestorben. Heute wird gälisch wieder gelehrt, die Hinweisschilder auf der Strasse sind jeweils englisch und gälisch beschriftet.

Die Fahrt durch die kargen Highlands war begleitet von Regen und Nebelschwaden. Gegen Mittag wurde es sonnig und um die siebenundzwanzig Grad Celsius richtig heiss. Auch am Zielort konnte der Gegensatz nicht grösser sein: Der Inverewe Garden, einer der nördlichst gelegenen botanischen Gärten der Welt an der Nordwestküste Schottlands direkt am Atlantik. Durch den Golfstrom besteht hier eine relativ konstante, hohe Temperatur. Die exotischen Pflanzen aus aller Welt brachten uns zum Staunen: Palmen, Agaven, bunte Blumen, deren Namen mir nicht bekannt sind. Rhododendren sind in Schottland ein Unkraut, hier wurden sie in einer umfangreichen Sammlung angepflanzt, auch Disteln, die Nationalblume, durften nicht fehlen.

Der Begründer der Gärten von Inverewe war der Schotte Osgood Mackenzie (1842-1922). Er hatte das zwanzig Hektaren grosse Grundstück geerbt, ein felsiger Hügel mit nur einem Baum drauf direkt am Meer, jeder Witterung schutzlos ausgesetzt. Er hatte die Idee, daraus einen blühenden Garten zu machen. Nachdem er zum Schutz witterungsbeständige Bäume gepflanzt hatte, liess er tonnenweise fruchtbare Erde herbeischaffen und realisierte mit viel Fantasie diesen exotischen Garten. Seine Tochter führte ihn weiter und seit 1952 steht er unter Naturschutz.

Auf dem Weg nach Edinburgh besuchten wir das Blair Castle, ein herzogliches Schloss mit mehreren weissen Türmen und Sitz des Duke of Atholl. Hier sind auch die Atholl Highlanders stationiert, die einzige legale Privatarmee Europas, welche aber eine rein zeremonielle Leibgarde ist. Wie alle schottischen Schlösser, hatte auch dieses eine bewegte Geschichte und entwickelte sich von einer mittelalterlichen Festungsanlage zu einem herrschaftlichen Wohnsitz mit georgianischen Stilelementen aus dem 19. Jahrhundert.

In der Nähe von Blair Castle machten wir einen Abstecher nach Pitlochry, einer kleinen alten Stadt mit traditionellen Geschäften und einer pittoresken Innenstadt. Dann steuerten wir direkt auf Edinburgh zu, wo uns als Erstes drei prägnante Brücken empfingen, die über den zweieinhalb Kilometer breiten Meeresarm Firth of Forth führten: Die alte 1890 eröffnete zweigleisige Eisenbahnbrücke aus Stahl hatte bei ihrer Eröffnung die grösste Spannweite der Welt, 1964 wurde daneben eine filigrane ebenso lange Hängebrücke für den Autoverkehr eröffnet, die offenbar auf Dauer nicht genügte, denn 2017 wurde eine weitere Hängebrücke eingeweiht.

Edinburgh ist auf Hügeln gebaut und seit dem 15. Jahrhundert Hauptstadt von Schottland, seit 1999 Sitz des schottischen Parlaments. Die mittelalterliche Altstadt ist umgeben von der eleganten georgianischen New Town mit Gartenanlagen und neoklassizistischen Gebäuden. Über der Stadt thront das Edinburgh Castle, wo täglich, ausser sonntags, um Punkt dreizehn Uhr die One O’Clock Gun abgefeuert wird.

Nach der Stadtrundfahrt gingen wir zu Fuss auf eigene Erkundungstour. Nahe beim Schloss fanden wir im dritten Untergeschoss eines alten Gebäudes eine Weberei für Tartanstoffe, woraus Kilts hergestellt werden. An alten Webstühlen aus Eisen waren die Fäden mit den angefangenen Webstücken aufgespannt, die Weber hatten gerade Mittagspause.

Heute werden den Clans bestimmte Karomuster, Tartans, zugeordnet, was aber vermutlich eine Erfindung des 18. Jahrhunderts ist. Trotzdem nehmen die Schotten die Zuordnung der Tartans sehr ernst. Es wird nicht gerne gesehen, wenn Clanfremde ihre Clan-Muster tragen. Schotten, die sich als Mitglied eines Clans verstehen, tragen natürlich nur Kilts im korrekten Tartan. Aber es gibt auch Tartans nach Orten, Regionen, Vereinen, Berufsständen und auf Wunsch werden neue Muster kreiert.

Nachdem wir auf unserer Erkundungstour auch noch das Klon-Schaf Dolly im ehrwürdigen Nationalmuseum besichtigt hatten, ruhten wir uns in einem Park aus. Und in diesem Park, mitten in der City zwischen mächtigen Gebäuden, entdeckten wir ein hübsches Landhaus in einem blühenden Garten, am Gartentor eine Notiz Great Aunt Lizzie’s Cottage. Wir fragten uns, wer wohl diese Grosstante Lizzie sein könnte. Dank Google erfuhren wir, dass das Cottage als Kulisse für Filmaufnahmen der britischen Kinder-TV-Serie Teacup Travels (2015 bis 2017) gedient hatte.

Der letzte Abend endete mit einer Schottland Show für Touristen. Es wurde alles geboten: Dudelsack, Lieder, Tänze und Geschichten. Dazu wurde ein Dreigangmenü serviert, wobei der Haggis eine besondere Einlage bekam. Haggis ist eine Spezialität der schottischen Küche und besteht aus dem Magen eines Schafes, der mit Herz, Leber, Lunge, Nierenfett, Zwiebeln und Hafermehl gefüllt und mit Pfeffer scharf gewürzt ist. Diese Wurst erinnert geschmacklich an unsere Leberwurst.

Der schottische Nationaldichter Robert Burns (1759-1796) hatte eine witzige Ode an den Haggis «Address to a Haggis» verfasst, die beim «Burns Supper» am 25. Januar – dem jährlichen Gedenkfest zu Burns Geburtstag – zu Ehren kommt: Das Familienoberhaupt oder der Wirt des Restaurants trägt das Gedicht vor dem Essen vor der schottischen Flagge stehend bei Kerzenlicht und Dudelsack vor und mitten in der dritten Strophe wird der kochend heisse Haggis mit dem Schwert oder Dolch aufgeschlitzt und das Fett läuft aus. Diese Zeremonie wurde in der Show als Höhepunkt auf der Bühne vorgespielt, erst dann durften wir unseren Haggis verspeisen.

Der feine und mitunter abgründige Humor hatte uns auf der ganzen Reise begleitet. Ed, unser Reiseleiter und Thomas, unser im Linksverkehr sicherfahrender Buschauffeur, brachten uns damit die schottischen Lowlands und Highlands – das geheimnisvolle Schottland – in allen Facetten nahe.

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